Folgen des KlimawandelsWels statt Lachs: Wieso sich der Fischbestand im Rhein ändert
Die Wassertemperatur steigt, und zwar bis zu 4,2 Grad bis Ende des Jahrhunderts. Das hat gravierende Folgen für die Fische – auch für das Lachszuchtprogramm.

- Die Wassertemperatur des Rheins wird bis 2100 um bis zu 4,2 Grad ansteigen.
- Kälteliebende Fischarten wie Äsche und Lachs leiden zunehmend unter dem wärmeren Wasser.
- Renaturierungsprojekte wie die Rheininsel schaffen wichtige naturnahe Lebensräume für Wassertiere.
- Basler Industriebetriebe müssen ihre Kühlwassernutzung wegen steigender Rheintemperaturen anpassen.
Der Rhein ist in stetigem Wandel. Einst als Kloake Europas verschrien, gilt dieser Fluss heute dank der jahrelangen Bemühungen der Anrainerstaaten entlang seiner 1233 Kilometer langen Strecke als relativ sauber. Das heisst aber nicht, dass der Rhein nicht weiter geschützt werden muss. Der Klimawandel setzt den Fluss hart unter Druck – und wird ihn nachhaltig verändern.
In Basel stieg die durchschnittliche jährliche Wassertemperatur zwischen 1978 und 2023 um 0,4 Grad pro Jahrzehnt. Bis Ende dieses Jahrhunderts wird die Wassertemperatur des Rheins um bis zu 4,2 Grad Celsius ansteigen. Das zeigt ein kürzlich publizierter Bericht der Internationalen Kommission zum Schutz des Rheins (IKSR). In dieser Kommission, die vor 75 Jahren gegründet wurde, arbeiten alle Länder des Rheineinzugsgebiets zusammen. Sie war unter anderem massgeblich an der Reinigung des Rheins nach dem Grossbrand von Schweizerhalle beteiligt. Mit dem Programm «Rhein 2040» kämpft die IKSR heute dafür, den Fluss für die Auswirkungen des Klimawandels resilient zu machen.
Der Temperaturanstieg von 4,2 Grad wurde anhand des Hochemissionsszenarios des Weltklimarats berechnet. Dabei geht man von einem ungebremsten Anstieg von Treibhausgasemissionen aus. Der Hauptgrund für das wärmere Flusswasser ist der Anstieg der Lufttemperaturen; die Abschaltung von AKW konnte den Anstieg der Wassertemperatur nicht aufhalten.
Das heisst nicht, dass das Rheinwasser in Zukunft konstant wärmer wird als heute. Aber es wird weniger kalte Tage im Jahr mit einer Wassertemperatur von unter 10 Grad geben und umgekehrt mehr warme Tage mit Temperaturen von über 21,5 Grad. Künftig könnte das Wasser im Rhein fast 50 Tage im Jahr 25 bis 28 Grad warm sein.
Das hat schwerwiegende Konsequenzen für die Natur und für die Wirtschaft.
Im Rhein etabliert sich ein neuer Fischbestand
«Der Klimawandel führt zu Verdrängungsprozessen und setzt Pflanzen und Tiere unter zusätzlichen Druck», sagt IKSR-Geschäftsführer Marc Daniel Heintz auf Anfrage dieser Redaktion. «Für Fische ist die Wassertemperatur ein kritischer Faktor. Wenn bis 2100 der Worst Case mit dem Temperaturanstieg um 4,2 Grad eintritt, kommt es zu einer Verschiebung beim Artenspektrum.»
Kälteliebende Fischarten wie die Äsche, die Meer- und Bachforelle oder auch der Lachs leiden, wenn bestimmte Werte tage- oder wochenlang überschritten werden. Je nach Art liegen diese zwischen 25 und 30 Grad. Generalisten wie der Wels kommen mit warmen Temperaturen besser zurecht. Diese könnten andere heimische Fische verdrängen. «Es können aber auch weitere invasive Arten einwandern, die gar nicht heimisch sind, und Krankheitserreger haben mehr Spielraum, weil die Fische geschwächt sind», sagt Heintz.

Daniel Zopfi, Fachspezialist Jagd und Fischerei im Amt für Wald und Wild beider Basel, bestätigt diese Befürchtungen: «Es wird einen schleichenden Wandel geben, es wird sich ein anderer Fischbestand im Rhein etablieren als bisher.» Bereits heute flieht die Äsche aus dem Rhein in die kühlere Birs, wenn es ihr zu warm wird. Der Kanton Basel-Landschaft erlässt im Sommer immer wieder Bade- und Betretungsverbote zum Schutz der Fische in der Birs, wenn diese unter Hitzestress leiden.
Die Ausbreitung des Welses stellt Zopfi ebenfalls fest. Dieser Allesfresser wird bei Basel bis 2,5 Meter gross, wird nicht unbedingt für Menschen zum Problem, sondern für andere Fische wie zum Beispiel den Lachs. Die grossen Anstrengungen für die Wiederansiedlung des Lachses im Rhein werden ebenfalls durch den Klimawandel bedroht.

In der Region Basel wird der Lachs in den Seitengewässern, in der Wiese, Birs oder Ergolz, gesichtet. «Gemäss unseren Messungen ist die Abwanderung aus den Seitengewässern erfolgreich», sagt Zopfi. Es werden jährlich allerdings nur vereinzelte zurückgewanderte Fische gefunden. «Bei der Rückwanderung vom Meer nach Basel kann der Wels zu Verlusten führen – das grösste Problem derzeit ist das Fehlen von funktionierenden Fischaufstiegshilfen, die die Längsvernetzung bis in die Schweiz ermöglichen würde.»
Drei französische Stauanlagen unterhalb von Basel sind ein Hindernis: Rhinau, Marckolsheim und Vogelgrün. Die ersten beiden sollten bis 2026 saniert werden und somit für den Aufstieg der Fische passierbar werden, schrieb das «St. Galler Tagblatt» in diesem Frühling. Für Vogelgrün ist noch keine Sanierung geplant, wie der WWF Schweiz auf Anfrage bestätigt.
Den natürlichen Rhein wiederherstellen
Was kann der Mensch tun, um den Rhein für die Zukunft fit zu machen? «Man muss jetzt die ökologische Durchgängigkeit wiederherstellen und generell naturnahe Strukturen fördern, die besser mit der Hitze umgehen können», sagt Heintz weiter. Er spricht von der Renaturierung des Rheins, eine der wichtigsten Massnahmen zum Schutz des Flusses.

Ein gutes Beispiel, wie das geschehen kann, zeigt die Renaturierung der Rheininsel beim Naturpark Petite Camargue Alsacienne inklusive sieben Kilometer langem Altrheinarm, nicht weit von Basel. Auf 100 Hektaren, die früher dem Maisanbau gewidmet waren, wurde eine Reihe natürlicher, feuchter und trockener Umgebungen wiederhergestellt.
Der Rhein fliesst hier natürlicher und flacher – Kiesbänke, Buchten und Totholz dienen Fischen als Versteckmöglichkeiten, seichte Flussbereiche bilden ideale Laichplätze. Es handelt sich gemäss IKSR um eines der grössten Projekte ökologischer Wiederherstellung in Europa.

«Man muss den Fluss nicht auf der gesamten Länge komplett naturnah gestalten, aber man braucht eine Kette von Biotopen, sozusagen als Trittsteine für Fische», so Heintz. Bei Basel gibt es mehrere Orte, die für diesen Biotopverbund sehr wertvoll sind. Etwa das Gebiet zwischen Schwörstadt und dem Kraftwerk Rheinfelden mit aquatischen Lebensräumen, Augewässern und Sümpfen. Hier empfiehlt die IKSR, die solche Räume in einem Biotopatlas aufführt, die Auenwälder im aktuellen Überschwemmungsbereich zu vergrössern und neues Grünland zu schaffen.
Der Grossraum Basel selbst gilt, wie praktisch alle grösseren Städte am Rhein, als Defizitraum. Hier verdichten sich Verkehrs- und Siedlungsstrukturen, die Natur ist sehr stark dezimiert.

Das heisst aber nicht, dass man nichts tun kann. Der Kanton Basel-Stadt will im Zuge der Umgestaltung des Rheinbords neue Möglichkeiten zum Unterschlupf für Fische und andere Wasserlebewesen schaffen. So muss etwa für die Sanierung der Pfalzböschung unter der Wasseroberfläche ein neuer Betonriegel eingebaut werden, damit der Mauerfuss nicht abrutscht. Im Betonriegel einbetonierte Steine sollen neue Lebensräume für Wasserlebewesen schaffen.
Rheinwasser zum Kühlen von Industriearealen auf der Kippe
Die steigenden Wassertemperaturen haben auch einen Einfluss auf die Wirtschaft. Die Industrie nutzt Flusswasser zum Kühlen. So etwa für das Kernkraftwerk Beznau an der Aare. Dieses Wasser fliesst erwärmt in den Fluss zurück und über die Aare in den Rhein. In Basel entnehmen die Betriebe Roche, Novartis, Rhystadt im Klybeckareal und das Universitätsspital (USB) Kühlwasser aus dem Rhein.
Wenn die Temperaturen aber sowieso schon hoch sind, kann das zusätzlich das Ökosystem eines Flusses belasten. Um Flora und Fauna vor Hitze zu schützen, werden die AKW deshalb gedrosselt. Übersteigt die Wassertemperatur der Aare 25 Grad Celsius, müssen die Beznau-Blöcke heruntergefahren werden, wie zuletzt Anfang Juli dieses Jahres geschehen.
Für den Rhein gilt gemäss Gewässerschutzverordnung dasselbe Temperaturlimit. Die vier betroffenen Basler Betriebe haben allerdings eine Ausnahmebewilligung: Sie dürfen Kühlwasser aus dem Rhein weiterhin beziehen, sofern dadurch die Erwärmung des Gewässers nicht um mehr als die genannten 0,01 Grad Celsius steigt, wie die «bz basel» schreibt. Weil der Rhein in den letzten Jahren aber immer wieder zu warm wurde, haben Roche und USB in Kühltürme beziehungsweise -zentren investiert, um das Rheinwasser bei Bedarf zu ersetzen. Dies dürfte auch in Zukunft notwendig werden.
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